Startup Porträt: VirtuallyThere

Bei unserem heutigen Gespräch hat Carola von VirtuallyThere davon berichtet, wie sie mittels Virtual-Reality-Brillen Psychotherapeut*innen hilft, ihre Arbeit effektiver zu gestalten und welche Herausforderungen Sie und Ihr Team bei der Gründung überkommen mussten.

Liebe Carola, wie würdest du dein Unternehmen in einem Satz beschreiben?

Wir unterstützen Psychotherapeut*innen durch den Einsatz von Virtual-Reality-Brillen, um Angstzustände effektiv zu behandeln. Das funktioniert, indem wir Angstsituationen erlebbar machen, was dann bei der Überwindung helfen kann.

Wann kam dir die Idee, eine eigene Firma zu gründen? Was war der Auslöser dafür?

Ich bin Medienwissenschaftlerin und komme aus der Forschung. Außerdem habe ich eine Zeit lang als Innovationsmanagerin in der Automobilindustrie gearbeitet und mich damit auseinandergesetzt, wie man aus guten Ideen ein erfolgreiches Geschäft macht. Während meiner Zeit in der Forschung bei der TU München im Bereich VR ist mir klargeworden, wie stark diese Simulation auf den Menschen wirkt. VR wirkt sehr aktivierend im Gehirn und es wird nicht unterschieden zwischen Realität und Simulation. In Versuchen mit meinem Mann und Gesprächen mit meiner Schwester, die Psychotherapeutin ist, kam die Idee auf, man könne diese Technologie auch in der Therapie einsetzen. Die Technologie muss außerdem nicht kompliziert sein. Virtuallytheremedia sorgt dafür, dass einfache und kompakte Lösungen bereitgestellt werden, um so schneller Ergebnisse liefern zu können.

Welchen Bedarf habt ihr für die Gründung gesehen und welches Potenzial siehst du in der Geschäftsidee?

Bei der herkömmlichen Therapie gibt es verschiedene Problemstellungen, die wir mit unserer Geschäftsidee adressieren. Normalerweise muss man bei einer Angsttherapie irgendwann an einen externen Ort fahren, um bspw. Höhenangst zu konfrontieren. Das erfordert finanzielle und zeitliche Ressourcen. Diese können durch den Einsatz von unserem Produkt eingespart werden. Weiterhin sind Therapieplätze sehr begrenzt und Patient*innen müssen teilweise monatelang warten, um einen Therapieplatz zu bekommen. Die knappe „Ressource“ der Psychotherapeut*innen wollen wir mit Hilfe von Virtual Reality nicht ersetzen, sondern von Vorbereitungsarbeiten entlasten. Patient*innen können unter Umständen während der Wartezeit auf einen Therapieplatz nicht am normalen Leben teilnehmen, Symptomatiken können sich noch verschlechtern. Wir wollen mit Hilfe von Virtual Reality mehr Menschen leichter durch die Angst hindurch helfen.

Wer ist in deinem Team und wie habt ihr euch gefunden?

Die Grundidee hatten mein Mann und ich. Er ist auch derjenige, der die Mediathek verwaltet. Dafür besitzt er zum einen das nötige technische Verständnis und außerdem das nötige Einfühlungsvermögen, um in dem Kontext arbeiten zu können. Die neueste Mitarbeiterin Kim haben wir online gesucht und gefunden. Sie ist als Freelancerin aktuell in Mexiko unterwegs und unterstützt uns Remote.

Welche Befürchtungen hattet ihr zu Beginn der Gründung? Wie beurteilst du diese aus heutiger Sicht? Was habt ihr dazugelernt?

Anfangs hatten wir auf jeden Fall Zweifel, ob unser Angebot überhaupt genutzt werden würde. Allerdings muss man daran festhalten, wie überzeugt man von der eigenen Idee ist, es einfach ausprobieren und auf dem Weg lernen. Wir haben außerdem von Anfang an den direkten Kontakt zu Kunden gesucht und nachgefragt, ob sie Interesse haben – denn sie zeigen letztlich den Weg. Die Rückmeldungen und Erfolgsgeschichten aus der therapeutischen Praxis haben uns dann die Zuversicht und Kraft gegeben weiterzumachen. Es ist ein tolles Gefühl zu sehen und zu hören, was wir mit unserem Produkt bewirken können und wie wir Menschen dadurch helfen, ihr Leben und ihre Freiheit zurück zu bekommen.

Habt ihr schon einmal über die Zusammenarbeit mit externen Investoren nachgedacht? Wenn ja: Zu welchem Zeitpunkt? Was hat sich daraus ergeben?

Anfangs konnten wir uns durch Eigenkapital finanzieren, unser Produkt entwickeln und Kunden gewinnen. Allerdings hatten wir so keine Möglichkeit weiter zu wachsen und zu investieren. Anfang diesen Jahres haben wir dann einer Firma das Paket des „5-Minuten Urlaub fürs Büro“ verkauft und konnten dadurch deren Interesse für unsere Idee gewinnen. Dadurch haben wir sie letztlich als Investor holen können. Wir freuen uns riesig, dass wir einen passenden Investor gefunden haben und über das Start-up BW Pre-Seed Programm nun den nächsten Wachstumsschritt in Angriff nehmen können, um so den Vertrieb auszubauen und unsere App weiter zu entwickeln.

Wie empfindest du die Gründungs-Community in der Gegend? Wo finden (potentielle) Gründer*innen am einfachsten Anschluss?

In Esslingen gibt es die Makers League bei der man organisatorische und finanzielle Unterstützung findet. Es gibt jede Woche Veranstaltungen mit sehr unterschiedlichen Thematiken. Die Bodenständigkeit der Teilnehmer*innen gefällt mir dabei besonders. Letztens wurde zum Beispiel ein Vortrag über Angst als Gründer*in gehalten.

Welche Tipps kannst du anderen (potentiellen) Gründer*innen geben? Worauf sollten Sie achten?

Man sollte auf jeden Fall ausdauernd sein. Ich bin selbst Marathonläuferin und so sollte man auch als Gründer*in immer Langzeitziele im Blick behalten und sich von kleinen Rückschlägen nicht entmutigen lassen, man muss beharrlich bleiben! Außerdem sollte man offen bleiben für neue Wege und nach Vorbildern schauen. So kann man eine Vision entwickeln, wo man eines Tages stehen möchte. Als letzten Tipp muss noch gesagt werden, dass man Respekt und ehrliches Interesse für den Kontext der Zielgruppe braucht.

Was bedeutet dir Regionalität? Wieso hast du in der Region gegründet?

Mittlerweile mehr als zu Beginn. Zunächst hatten wir den Aspekt der Regionalität unterschätzt. In Baden-Württemberg gibt es exzellente Möglichkeiten als Gründer*in. Wir haben im März 2022 den Female Founder Cup gewonnen und dadurch wertvolle Kontakte knüpfen können. Das lokale Umfeld wirkt allgemein sehr kraftgebend und ermutigend.

Und zum Abschluss: wie stellt ihr euch die nahe und ferne Zukunft für das Unternehmen vor?

Wir wollen definitiv weiter wachsen. Dafür bauen wir erst einmal den Sales-Bereich aus. Im Moment suchen wir einen Senior Sales Manager. Außerdem bauen wir die Funktionen in der VirtuallyThere-App weiter aus, beispielsweise mit einer Download-Funktion. Langfristig wollen wir in den nächsten Jahren die ersten sein, an die man denkt, wenn man im deutschsprachigen Raum von Virtual Reality für die Psychotherapie spricht.