Startup Porträt: Babybe

Babybe revolutioniert den Brutkasten

Raphael Lang hat eine Vision. In fünf Jahren, so wünscht es sich der Jungunternehmer, sollen die Brutkästen sämtlicher Krankenhäuser in Baden-Württemberg mit einer speziellen (Bionischen) Gelmatratze ausgestattet sein, mit dessen Hilfe sich Frühchen fast wie im Bauch ihrer Mutter fühlen können. Die Gelmatratze, die von einem Übertragungsmodul ergänzt wird und die Nähe der Mutter simuliert, haben er und sein Partner Camilo Anabalon Alamos nun bis zur Serienreife entwickelt.

Erster Prototyp aus dem 3D-Drucker

Im Jahr 2011 riefen die beiden Tüftler dafür das Start-up Babybe GmbH mit Sitz in Aichtal ins Leben. Anabalon, der an der Stuttgarter Kunstakademie ebenso wie Lang seinen Master gemacht hat, ist eigentlich Produktdesigner, Lang Ingenieur für Elektrotechnik. Mit unbeirrbarer Leidenschaft und viel Herzblut für ihre Sache machten sich die beiden Visionäre daran, ihren Traum umzusetzen, obwohl ihnen trotz Bewerbungsversuchen öffentliche Fördermittel zunächst verwehrt blieben. „Das Jahr 2011 war echt hart“, erinnert sich Lang. Dennoch gelang es den beiden mit Hilfe eines 3D-Druckers einen ersten Prototypen zu bauen. Hilfreich dafür waren ein Innovationsgutschein des Landes in Höhe von gerade mal 2.500 Euro sowie ihr Netzwerk zum Fraunhofer Institut IPA und der Kunstakademie, deren Büros und Werkstätten sie benutzen durften. Hinzu kamen gute Verbindungen zum Stuttgarter Olgahospital, mit deren Ärzte und Pflegepersonal Babybe bis heute eng zusammenarbeitet. „Das Olgäle hat uns bei der Entwicklung enorm unterstützt“, sagt Lang.

Von Aichtal nach Shenzen, Santiago de Chile und San Francisco

Während sich die bekannten Fördermittelgeber zunächst noch zurückhielten, kam unerwartete Hilfe von anderer Seite. Als Lang eines Tages auf seiner Lieblingswebsite „Makerfaire.com“ surfte, ahnte er noch nicht, dass ihnen dies zu einem ersten finanziellen Schub ihres Start-ups verhelfen sollte. Maker Faire steht für eine Subkultur, innerhalb der kreative Köpfe wie die beiden Babybe-Gründer in Form einer Art Do-It-Yourself-Kultur mit dem Einsatz aktueller Technik zum Teil revolutionäre Problemlösungen entwickeln. Jedenfalls fand Lang auf diese Weise Kontakt zu dem Investmentfonds SOSventure, der von Cyril Eberweiler und seinem Gründer Sean O’Sullivan im irischen Cork gemanagt wird. Eberweiler bezeichnet sich selbst als a visionary punk. O’Sullivan wird von der Irish Times als genauso unorthodox wie sein Fonds beschrieben. Unkonventionell war schließlich auch das Angebot, das Eberweiler und O’Sullivan den Babybe-Gründer machten: Sie stellen ihnen 50.000 Dollar zur Verfügung, um dafür im chinesischen Shenzen an ihrer Sache forschen zu können. Natürlich ließen sich Anabalon und Lang nicht zweimal bitten. „SOSventure steckt Geld in visionäre Dinge von echten Machern“, sagt Lang, der von dem richtigen Start-up-Spirit in Shenzen schwärmt. Wenn es dort bei Hardware um die Umsetzung gehe, denke man nicht in Monaten wie in Deutschland, sondern in Stunden, sagen die beiden Gründer, die große Teile ihres Prototypen während ihrer Zeit in Shenzen entwickelt haben.

Bald kam Babybe aber in den Genuss einer weiteren Unterstützung, die dem Jungunternehmen die Durchführung klinischer Studien ermöglichen sollte. So gewährte die staatliche Initiative „Start-up Chile“ aus Anabalons Heimat im Juli 2011 weitere 50.000 Dollar, mit deren Hilfe die Newcomer in klinischen Studien im San Borja Hospital in Santiago de Chile nachweisen konnten, dass ihre Erfindung für eine bessere Atmung und einer raschere Gewichtszunahme der Neugeborenen sorgt. „Es zeigt sich außerdem, dass Babybe Herzschlag und Sauerstoffsättigung des Bluts der Frühchen positiv beeinflusst“, so Anabalon.

Das Produkt hinter Babybe

Im Kern besteht das Produkt von Babybe aus einer Gelmatratze, die den weiblichen Oberkörper der Mutter nachahmt. Darauf wird das Frühchen gelegt, wo es die simulierte Atmung der Mutter und ihren Herzschlag spürt. Außerdem kann es ihre Stimme hören, ja, die Mutter kann per Mobiltelefon sogar mit ihrem Kind „telefonieren“. „Die Gelmatratze gibt dem Baby das Gefühl, dass es auf dem Bauch seiner Mutter liegt“, erläutert Lang. Damit ist es den jungen Erfindern gelungen, die Wärme, den Atemrhythmus und den Herzschlag der Mutter in den Brutkasten zu bringen. Zur Gelmatratze gehören zwei weitere Komponenten: ein Kontrollmodul, in dem sich Luftkammern und Elektronik befinden, und eine Art Schildkröte, die sich die Mutter auf die Brust legt. Die Schildkröte überträgt Herzschlag und Atemrhythmus der Mutter per Funk über das Kontrollmodul auf die Gelmatratze im Brutkasten. Die Frühchen aber werden zum Teil wochenlang nur in Brutkästen medizinisch versorgt. „Während dieser Zeit fehlt ihnen die vertraute Nähe zu ihrer Mutter“, sagt Anabalon.

Nachdem die beiden Gründer von 2011 bis 2013 parallel in Shenzen, Santiago de Chile und Stuttgart gearbeitet hatten, sollten sie für 2014/2015 eine weiter private Finanzspritze erhalten. Diesmal war es der US-amerikanische Halbleiterhersteller Intel, der das Potenzial der beiden Tüftler erkannt hatte
und im Rahmen des Programms „Make it wearable“ Anabalon und Lang mit 50.000 Dollar ausstattete, und sie für vier Wochen nach San Fransisco holte, um mit Experten der University of California in Berkeley an ihrem Business Plan zu feilen.

Starke Finanzierungen aus Baden-Württemberg und Irland

Im Jahr 2015 stiegen mit dem VC Fonds BW, der innovativen und wachstumsstarken Unternehmen im Land Eigenkapital bietet, und der MBG Mittelständische Beteiligungsgesellschaft Baden-Württemberg dann doch zwei der Förderinstitutionen des Landes bei Babybe mit jeweils 75.000 Euro ein. Für den VC Fonds BW war die Babybe GmbH sein zweites Investment. Das Kapital wird in Form einer stillen Beteiligung gehalten. Gleichzeitig investierte der irische Risikokapitalfonds SOSventures 150.000 Euro, so dass die Jungunternehmer ihre erste Produktserie bauen und die Prüfung für die CE-Zulassung in der Europäischen Union finanzieren konnten. Im Juli 2016 folgten weitere 200.000 Euro, die wiederum hälftig SOSventures und MBG zusammen mit dem VC Fonds BW in Form einer stillen Beteiligung aufbrachten. Damit halten MBG inklusive VC Fonds BW und SOSventures jeweils zwölf Prozent an dem Unternehmen. Der Rest liegt bei den Gründern.

Produkte werden bereits in Krankenhäusern genutzt

An diesem Punkt steht Babybe vor einem neuen Kapitel in der noch jungen Firmengeschichte. Denn inzwischen ist die erste Geräteserie, deren Komponenten zu 60 Prozent aus Deutschland sowie aus China und der Schweiz stammen, verkauft und an Krankenhäuser in Deutschland, den Niederlanden und Italien ausgeliefert. Damit kann eine Produktion, deren Endmontage in einer Medizintechnikfirma in Nürnberg erfolgt, in größerem Umfang anlaufen. Dafür bedarf es aber einer neuen Finanzierungsrunde, die 2017 über die Bühne gehen soll. Die Wagniskapitalgeber Eberweiler und O’Sullivan wünschen sich dafür diesmal einen Investor aus Deutschland, am liebsten aus Baden-Württemberg, und sind zuversichtlich, einen solchen mit auftreiben zu können. Immerhin sollen nochmals zwei Millionen Euro an Risikokapital zusammenkommen, um die Produktion richtig in Gang zu bringen, den Vertrieb aufzubauen und eine weltweite Zulassung für die Babybe-Matratzen zu erwirken.

Nach den ersten Verkäufen plant Babybe jedenfalls für das Jahr 2017 mit einem Umsatz von ebenfalls zwei Millionen Euro. Dass der Umsatz von da an weiter deutliches Potenzial nach oben hat, davon ist Lang überzeugt. Dies macht er allein mit einem Hinweis auf die Kosten in Höhe von 100.000 Euro deutlich, die die Krankenkasse durchschnittlich für die Pflege eines Frühchens aufbringen muss. Die Gelmatratze von Babybe kostet dagegen nur rund 900 Euro und kann für 30 bis 40 Frühchen genutzt werden. Wie enorm groß der Markt für das Produkt sein mag, darauf weisen Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) hin, wonach jedes Jahr 15 Millionen Babys weltweit vor der 37. Schwangerschaftswoche zur Welt kommen. „Damit haben wir alles andere als ein Nischenprodukt entwickelt“, ist sich Lang sicher.

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